Reisebericht 2025
Von Johann Graf
Altamira, 14. Februar 2025
Gestern mussten wir erst um 7 Uhr los. Wir fuhren erst auf der Transamzonica in Richtung Anapu. Gleich hinter der Altamira erstreckte sich eine rießige neue Fazenda. Noch wird hier Mais in Monokultur angebaut, aber alles ist für Soja, natürlich genverändert, vorbereitet. Die Fazenda gehört einem Konsortium, das sich hier entlang des Ufers des Rio Xingu Land unter den Nagel gerissen hat (während Pescadores und Riberinhos, Fischer und Flussbewohner, immer noch auf Lanzuteilung warten;später dazu mehr). Wir halten vor dem Turbinenhaus von Belo Monte und sind erschüttert von diesem gigantomanen Monument der Naturzerstörung durch den Menschen. Gleich dann muss die Transamazonica über den Xingu, was hier immer noch mit einer Fähre bewältigt wird, allerdings wird schon an einer großen Brücke gebaut. Der Verkehr hat deutlich zugenommen, seit die Strecke bis Anapu asphaltiert ist.
Am anderen Ufer treffen wir die Familie von Sara, die wir schon vom letzten Besuch kennen. Ihre Familie hat vor dem Bau von Belo Monte vom Fischfang gelebt. Ihr Vater, Valeriano, erzählt, dass er früher 500 Kilo Fisch pro Woche gefangen hat. Davon konnten sie gut leben. Jetzt ist er froh, wenn er noch einen Bruchteil davon (10 %) im Netz hat. Wir fahren mit seinem Boot den Xingu flussaufwärts. Nach rund zwei Stunden Fahrt halten wir am undurchdringlich Ufer. Nach einigen Hieben mit der Machete wurde ein kleiner Zufluss sichtbar, dem wir einige hundert Meter folgten. Hier sei eines der Laichgebiete. Vor Belo Monte war der Wasserstand hier während der Regenzeit eineinhalb Meter höher. Jetzt können die Laiche nicht überleben, weil es nicht genug Wasser gibt. Wir fahren noch eine Stunde weiter und erreichen eine Insel, Ilha do Amor. Hier treffen wir Sebastiao mit seiner Familie, auch er ist Pecador und indigener Abstammung. Auf der Insel leben noch mehr Familien, die sich ebenfalls eingefunden haben.
Er hat ein verhältnismäßig großes Haus und wir sind zum Essen eingeladen. Es gibt Reis, aus eigenem Anbau, Bohnen, Kürbisgemüse, Huhn und Tapir, alles sehr lecker und reichlich. Dann findet eine Reuniao, eine Besprechung statt. Alle stellen sich vor und vor allem Sebastiao, mittlerweile mit "Häuptlingsschmuck", berichten über ihre schwierige Situation. Das immer wiederkehrende Hauptthema ist, es gibt keine Fische mehr. Vor dem Bau des Staudamms wurde ihnen alles Mögliche zum Ausgleich versprochen, gehalten wurde so gut wie nichts. Sie haben hier als einzige Familie einen Internetanschluss für die Kommunikation über eine Solaranlage, aber sonst gibt es keine Elektrizität, obwohl das Turbinenhaus von Belo Monte nicht weit weg ist. Sie können sich immerhin mit ihren Feldern weitgehend selbst versorgen. Die anderen Familien klagen, dass ihre Häuser in der Regenzeit nicht ausreichend geschützt sind. Aber immer wieder, es sei ein Paradies, aber ohne Fische! Sie kämpfen weiter dafür, das Norte Energia, der Konzern, der Belo Monte betreibt, die vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen einhält, mittlerweile über neun Jahre, ohne dass wesentliche Forderungen erfüllt sind.
Sie bedanken sich für unseren Besuch und für die Unterstützung, die das für sie bedeutet. Die Rückfahrt mit dem Boot flussabwärts geht deutlich flotter. Dafür müssen wir an der Fähre über zwei Stunden warten und kommen so erst um 21:30 wieder in ALtamira an. Es reicht aber noch für ein Bier und Fischhappen und Macaxera. Heute morgen fuhren wir mit Josefa, die auch aus einer Familie von Pescadores stammt, direkt gegenüber vom Hotel mit dem Boot los. Sie hat ein Masterstudium mit dem Thema Nachhaltigkeit bei traditionellen Völkern absolviert, ist 34 Jahre alt und hat drei Kinder. Wir besuchen mit ihr eine Familie von Riberinhos, die ursprünglich auf einer wunderschönen Insel im Xingu, nicht weit von ALtamira, gelebt hat. Sie haben in den letzten Jahren eine Odyssee hinter sich, wie viele der Riberiho-Familien. Von ihrer Insel, die jetzt im Stausee liegt und weitgehend überschwemmt ist, wurden sie vertrieben. Sie sind jetzt vor einem Jahr in der Nähe ans Ufer zurückgekehrt und haben ein Haus gebaut, an dem sie immer noch arbeiten.
Ihnen steht eigentlich Land zu, auf dem sie anbauen können. Dieses wird aber nicht freigegeben, weil Fazenderos ihnen das streitig machen. So geht es mehr oder weniger allen, die hier ursprünglich als Fischer am Xingu gelebt haben. Sie gehören zur Gemeinde von Altamira. Der Gemeinderat wird von den Fazenderos und einigen Rechten dominiert. Die Riberinhos und die Fischer sind nur eine Minderheit und haben keine Lobby. Dona Raimundo, 79 Jahre alt, macht uns Cafe (leider wieder zuckersüß) und bewirtet uns mit Ananaskuchen. Sie ist froh, das sie jetzt hier wieder ein Heim hat. Das Land für ein Feld ist da, aber sie dürfen es nicht bearbeiten, verrückt. Wir besuchen noch eine Schule, für die wir vor Jahren einen Brunnen mit Solaranlage gespendet haben. Es war alles vor Ort vorbereitet, aber die Gemeindeverwaltung war nicht in der Lage die Anlage zu installieren und in Betrieb zu nehmen. Mittlerweile wird die Solaranlage im Bildungszentrum von Xingu Vivo genutzt. Auch hier wird beklagt, dass die Schule schlecht ausgestattet ist, zuviele Kinder in zu kleinen Klassenräumen. Sie zeigen uns die Pläne für einen neue größer Schule. Sie soll noch in diesem Jahr gebaut werden, hat Norte Energia versprochen. Das ist auch Teil der vertraglichen Kompensation, aber versprochen wurde hier schon viel.
Die Arbeit von Xingu Vivo besteht vor allem darin diejenigen zu unterstützen, die unter den Auswirkungen von Belo Monte und der Minengesellschaft Belo Sun zu leiden haben. Sie helfen bei den konkreten Problemen vor Ort, unterstützen die Betroffenen bei Klagen und Anzeigen bei der Staatsanwaltschft, vermitteln Anwälte, verteilen auch Lebensmittel, wenn dies notwendig ist und helfen wo medizinische Versorgung gebraucht wird. Xingu Vivo erhält keinerlei staatliche Unterstützung und lebt ausschließlich von Spenden ausländischer Organisationen. Sie berichten, das bis zur Fertigstellung von Belo Monte hier viele NGO´s tätig warem und sie unterstützt haben, jetzt gibt es kaum noch Unterstützung.
Altamira, 12. Februar 2025
Wir sind gestern Nachmittag in Altamira am Rio Xingu angekommen. Nach einer ersten Besprechung im Büro von Xingu Vivo, unserer Partnerorganisation, die viele Jahre gegen das gigantische Staudammprojekt Belo Monte gekämpft hat und jetzt denjenigen zur Seite steht, die unter den Auswirkungen von Belo Monte leiden, ging es ins Hotel direkt am Ufer des Xingu.Die Uferpromenade lädt zum schlendern ein und gleich am Hotel kann man in einem abgegrenzten Bereich im Fluss schwimmen. Brunhild und Heinrich sind gleich in den Fluss, der hier schon für das Kraftwerk aufgestaut ist.
Heute morgen wurden wir schon um 5:30 abgeholt. Die erste Fähre geht um 6 Uhr über den Xingu. Dann ging es weiter auf einer Piste im Regen und Schlamm, was an manchem Berg auch vom Allrad kaum zu bewältigen war. Ein kurzes Stück ab von der Piste besuchten wir Leyla und ihren Mann Junio mit ihren drei Kindern. Sie gehören zu den Besetzern, die hier seit 2 1/2 Jahren gegen die Einrichtung einer Goldmine durch die kanadische Minengesellschaft Belo Sun und für ihr eigenes Land kämpfen. Bei unserem letzten Besuch vor knapp einem Jahr hatten sie gerade ein leerstehendes Haus, eher eine Ruine, bezogen. Jetzt hat das Haus ein dichtes Dach und sie haben direkt dahinter ein großes Feld angebaut mit Mais, Maiok, Macaxera und vielen verschiedenen Gemüsesorten zwischen den Bäumen.
Sie können sich schon weitgehend selbst versorgen. Zwei kleine Schweinchen wuseln uns um die Beine während wir Cafe und Brötchen mit Avocado genossen. Sie freuten sich sehr über unseren Besuch und zeigten uns voller Stolz ihr kleines Paradies. Dann fuhren wir weiter zum Feld, wo bisher die Hütten der Besetzer standen. Die Besetzung heißt "Acampamento Francisco Piauí". Wofür das steht müssen wir noch rausfinden. Jetzt gibt es nur noch die Versammlungshütte mit Internet für die Kommunikation. Wir werden hier von Franzisco, Geronimo, Denis und Guiabo erwartet. Mittlerweile sind die Familien auf Parzellen von bis zu 10 Hektar verteilt worden, wo sie ihre Felder angelegt, Hütten gebaut und vor drei Monaten zum ersten Mal angepflanzt haben. Dafür hat POEMA insgesamt 22000 Kakaosämlinge, mehr als 11000 verschiedene Sämlinge von Açaí, Cupuaçu sowie Maniok und Gemüse,150 Hühner, etwa 300 Sämlinge einheimischer Pflanzen zur Wiederaufforstung, 70 Kastaniensämlinge, 50 Acapu-, Golosa-, Bacuripari-, Mahagoni-, Samauma-, Copaiba-Sämlinge, sowie notwendige Werkzeuge gespendet.
Jeder der Männer zeigt uns seine Parzelle mit seinem Feld, erklärt die Pflanzen, und es ist ganz offensichtlich, dass sie alle unheimlich hart gearbeitet haben. Guiabo erzählt, das er zwei Jahre in Peru in einer Mine gearbeitet hat. Es sei schrecklich gewesen, harte Arbeit wenig Lohn und die Kälte. Bevor er hier ins Acampamento kam wohnte er in einem Dorf am Xingu, und arbeitete für einen Fazendero quasi als Tagelöhner. Er ist voller Hoffnung hier seinen Platz gefunden zu haben. Die INKRA, die zuständige Landbehörde, hat das Gebiet zum "Projeto Assamento" erklärt und die Besetzerfamilien sind als Anwärter auf das Land registriert. Sollte aber die Minengesellschaft Belo Sun ihre Pläne doch noch durchsetzen müssten die Familien das Land wieder verlassen. Aber sie werden für Land kämpfen, erklärt er uns bei Cafe (leider wie landesüblich sehr süß) und Keksen, zu dem er uns in seiner sehr provisorischen Hütte eingeladen hat. Sie haben hier in den letzten Monaten viel geleistet und es ist immer noch viel Arbeit, bis hier ein bischen mehr als zum nackten Überleben aufgebaut sein wird.
Belem, 10. Februar 2025
Wir mussten die Fahrt zu den Kaapor um einen Tag verschieben, weil Brunhilds Erkältung erst etwas abklingen musste. Wir sind dann am Donnerstag früh um 6 Uhr mit einem Mietwagen gestartet. José, unser Partner und Organisator für die Projekte bei den Kaapor, wurde von Itarixa, dem 10-jährigen Sohn von Itahu begleitet. In Castanhal gab es dann in der Markthalle Frühstück und wir kauften noch verschiedene Lebensmittel für unseren Besuch im Reservat. Gegen Mittag kamen wir an den Rio Gurupi, dem Grenzfluss zwischen Para und Maranhao. Es regnete immer wieder heftig, was zur Konsequenz hatte, dass wir nicht mehr nach Kyraru´y renda gelangen konnten. Wir haben dann in Santa Tereza bei den Lasalle-Brüdern einem weltlichen Orden, der hier eine Landwirtschaftsschule betreibt, übernachtet und wurden überaus freundlich aufgenommen. Am Freitag Vormittag hat es dann mit der Fahrt nach Kyraru´y, dem Dorf von Jandiaxi, einem Mitglied von Tuxa Ta Pame, dem Rat der Kaapor, geklappt.
Von Santa Tereza aus war es noch über eine Stunde auf desolaten Feldwegen, vorbei an einer riesigen Fazenda. Entlang des Weges waren immer wieder Schilder aufgestellt, die darauf hinwiesen, dass das Gebiet mit Drohnen überwacht wird. Mit diesen werden auch die Agrotoxe versprüht. Glyphosat ist in Maranhao in einer unglaublichen Dosierung erlaubt und wird massiv eingesetzt. Die Kaapor beklagen, dass es auch über ihrem Teritorium versprüht wird. Zusätzlich wurden viele Brände gelegt, die immer wieder auch auf das Land der Kaapor übergriffen. Kyraru´y ist eines der Schutzdörfer, die in den letzten Jahren entlang der Reservatsgrenze errichtet wurden um das Eindringen von Holzräubern (madereros) und Goldsuchern (garimperos) ins Reservat zu verhindern. Wir waren bei den letzten beiden Besuchen auch hier und freuen uns über die Fortschritte, die Häuser haben neue Dächer, ein neues Feld wurde angelegt und der Brunnen mit der Solarpumpe funktioniert. Es leben hier drei Familien unter sehr bescheidenen Umständen.
Wir werden bekocht, Hühnchen, Reis und Bohnen, und befestigen unsere Hängematten. Leider gibt es hier verschiedene Arten von kleinen Biestern, die sich an uns gütlich tun. Eine Sorte ist winzig klein, dass man sie kaum sieht, aber ihr Biss ist deutlich sichtbar und schmerzhaft. Wir nehmen ein Bad im nahen Flüsschen, wo vor Ansiedlung des Dorfes die Brücke der Madereros war über die das Holz abtransportiert wurde. Sie wurde von den Kaapor abgebrannt. Seit sie hier leben gibt es keine größere Invasion mehr. Sie berichten aber, von vielen kleineren Übergriffen. Es gab vor der Regenzeit viele Brände, die teilweise von der Brandrodung der Fazenderos verursacht wurden, manche wurden aber wohl auch absichtlich gelegt. Die Nacht war ruhig und dunkel, die Elektrizität endet vor dem Reservat, und unter unseren Moskitonetzen waren wir halbwegs geschützt vor den kleinen Biestern. Wegen des drohenden Regens machten wir uns nach dem Frühstück mit Cafe und Cuscus und Macaxera wieder auf den Weg zurück nach Santa Tereza.
Wir kauften noch mal Obst und Gemüse und warteten auf das ok von Itahu, dass der Weg zu seinem Dorf Murutuy Renda befahrbar sei. Bis auf eine Brücke, an der wir aussteigen mussten, war die Fahrt ohne größere Probleme. Auch hier fuhren wir lange an einer großen Fazenda vorbei, die großflächig für eine Monokultur (evtl. Soja oder Dende, eine Ölpalme) vorbereitet war. Danach waren immer wieder größer Grabungen in der Landschaft sichtbar wo Goldsucher die Erde aufgerissen haben. Die Erträge sind nicht sehr groß, bestenfalls ein paar Gramm, und trotzdem sind hier viele Garimperos unterwegs und hoffen auf ihr Glück. Auch das Gebiet der Kaapor wird von ihnen bedroht. An einem kleinen Fluss endet unsere Fahrt. Beim letzten Besuch gab es hier noch eine Hängebrücke. Sie ist nicht mehr begehbar und so müssen wir den Fluss durchqueren. Itarixa kann es nicht erwarten nach Hause zu kommen und ist als erster im Wasser, das ihm glücklicherweise nur bis zum Bauchnabel reicht. Das ermutigt uns und wir transportieren unsere Sachen und die Lebensmittel sicher ans andere Ufer.
Dann sind es vielleicht noch 2 Kilometer Fußmarsch. Gleich hinter dem Hinweisschild, dass hier das Reservat der Kaapor beginnt, stoßen wir auf einen Zaun. Er wurde illegal vom benachbarten Fazendero errichtet, um so die Grenze des Reservats zu seinen Gunsten zu verschieben. Dies wurde an verschiedenen Stellen des Reservats so praktiziert, berichten uns die Kaapor. Sie gehen dagegen juristisch vor, was aber eher langwierig ist. Diese jurisitsche Intervention hat immerhin dazu geführt, dass das Schloss, das bislang an der Tor des Zauns den Zutritt vehindert hat, entfernt wurde. Wir werden herzlich von Itahu, einem der Anführer der Kaapor, empfangen. Das "Wehrdorf" wurde erst vor etwas mehr als einem Jahr gegründet, als wir vor einem Jahr hier waren war alles noch sehr provisorisch. Jetzt haben die Häuser zum Teil schon Ziegeldächer oder sind mit Palmwedel gedeckt. Es gibt Anpflanzungen und viele Hühner. Der Brunnen ist gebohrt und hat auch in der Trockenzeit ausreichend Wasser geliefert. POEMA hat beim Bau dieser Areas de Protecao (Wehrdörfer), die zum Schutz der Grenzen des Reservats in den letzten Jahren entstanden sind, die Bohrung von Brunnen mit Solarpumpen unterstützt, sowie Ausrüstung und Lebensmittel finanziert.
Auch hier werden wir bekocht, nehmen ein Bad im nahen Flüßchen, präparieren Hängematten und Moskitonetze unter den interessierten Blicken der Dorfbewohner. Sie helfen uns bei den Hängematten, nachdem sie sich erst mal über unsere unzulänglichen Versuche, diese sicher aufzuhängen, amüsiert haben. Die mitgebrachten Fotos vom letzten Besuch finden immer wieder großes Interesse und werden von allen aufmerksam studiert. Glücklicherweise gibt es hier deutlich weniger Stechmücken und wir verbringen eine ruhige Nacht mit Blick auf einen Sumauma, einem der Urwaldriesen. Am Morgen nach dem Frühstück findet die Reuniao, die Versammlung/Besprechung statt. Positiv ist, dass sie sich hier in ihrem neuen Dorf wohl und auch soweit sicher fühlen. Wir haben auch das Gefühl, dass z.B. Itahu weniger angespannt ist als bei den letzten Malen. Gleichzeitig ist der Druck durch Fazenderos, Madereros und Garimperos eher größer geworden. Es gab Brände im Teritorium, auch wenn keine sehr großen Flächen betroffen sind. Die Morde an Sarapo und anderen Kaapor sind immer noch nicht aufgeklärt, die Gesundheitsversorgung ist prekär bis nicht vorhanden, das staatliche Angebot von Erziehung und Ausbildung der Jugend ist schlecht und unzureichend.
Für Transport gibt es bislang keine Unterstützung. Die Kaapor wünschen sich von POEMA vor allem weiter Unterstützung beim Schutz des Reservats. Sie planen einen befahrbaren Weg direkt entlang der Reservatsgrenze zu bauen. Damit wäre die Überwachung und die Verhinderung von illegalem Eindringen leichter. Gleichzeitig könnte dieser Weg als Feuerschneise verhindern, das die Feuer der Fazenderos auf das Gebiet der Kaapor übergreifen. Geplant ist jetzt einen ersten Abschnitt von 15 bis 20 Kilometer (insgesamt geht es um mehr als 200 km) zu realisierten. Sie wollen uns dazu einen Kostenvoranschlag zukommen lassen. Ein weiterer Wunsch kommt von den Kaaporfrauen, die sich erstmalig im Januar getroffen haben. Sie wollen eine Fortbildung zum Thema traditionelle Heilpflanzen machen. Außerdem planen die Kaapor eine Kampagne um Geld für ein zweites Fahrzeug zu sammeln.
Sie hoffen, dass POEMA sich mit einem Betrag beteiligen wird, sie denken an 2-3000 €. Itahu und Marilza, die einzige Frau im Tuxa Ta Pame, sind Anfang März in die Schweiz eingeladen und werden vor dem Menschenrechtsrat in Genf angehört. Es geht dabei vor allem um die ungeklärten Morde und um den fehlenden Schutz für die Kaapor durch die brasilianischen Behörden. Außerdem finden Veranstaltungen dazu in Genf und in Bern statt. Wir hoffen sehr, dass diese Reise dazu beiträgt das Reservat und die Kaapor besser zu schützen. Wir mussten wegen des anhaltenden Regens dann gestern wieder die Rückreise nach Belem antreten und kamen im strömenden Regen spät abends in Belem an. Heute ist Wäschewaschen angesagt. Morgen geht es weiter nach Altamira an den Xingu.
Belem, 4. Februar 2025
Das Wochenende haben wir in einem vom MST gemieteten Haus verbacht, in dem zur Zeit auch Mariana, eine Journalistin von "Brasil do Fato" wohnt. Brasil do Fato ist das Nachrichtenportal vom MST mit eigner Internetseite, einer Zeitung und youtube-Kanal. Marana ist hier in Belem bis zum Ende der COP30. Sie hat uns auch mehr über die aktuelle Besetzung des Sekretariats für Bildung durch verschiedene Indigene (Munduruku, Kajapo und andere) informiert. Indigene Schüler, aber auch die Schüler auf dem Land sollen zukünftig in Para nur noch per Fernunterricht, also über Internet unterrichtet werden. Gleichzeitig gibt es einen Streik der Lehrer hier an den Bundesschulen, weil deren Arbeitsbedingungen in den letzten Monaten deutlich verschlechtert wurden. Die Regierung versucht mit Blick auf COP30 das Bild einer heilen Welt hier in Amazonien zu vermitteln. Da sind solche Aktionen natürlich nicht erwünscht und werden von Seiten der Regierung Paras massiv behindert. Noch dauert die Besetzung an. Gestern kam ein weiterer Bus mit Indigenen hier an um die Besetzer zu unterstützen.
Wir sind gestern früh zum Assentamento "Vermelho Abril" gefahren. Es liegt knapp zwei Stunden mit dem Omnibus von Belem entfernt. Diese Ansiedlung des MST war ursprünglich eine illegal betrieben Dende-Plantage und wurde vor über 20 Jahren vom MST besetzt. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit zum Teil blutigen Kämpfen istdie Ansiedlung jetzt eine juristisch Anerkannte Heimat für 400 Familien. Wir waren zu Gast im Haus von Filho und Valeria. Er ist Aktivist des MST und Verantwortlicher für die landwirtschaftliche Produktion, sie ist Lehrerin in der Grundschule im Assentamento. Es wird hier nach der Methode "Agroflorestal" angebaut ohne den Einsatz von Agrotoxen und Kunstdüngern. Gleich nach unserer Ankunft wurde der Wagen, mit dem wir von Belem herfuhren mit Früchten, Gemüse und einem Sack Maniokmehl beladen. Jane, die Verantwortliche des MST für Para, brachte das gleich als solidarische Hilfe zu den indigenen Besetzern nach Belem.
Unter Agroflorstal versteht man eine Anbauweise, die von den Indigenen übernommen wurde. Dabei handelt es sich um eine Mischanpflanzung von hohen Bäumen als Schattenspendern und darunter Obstbäume und Gemüseanbau, wie es auch in unserem Wiederaufforstungsprogramm in Cameta stattfindet. Heute morgen haben wir in einer kleinen Rundfahrt die Schule von Valeria besucht und einen Überblick über Vermelho Abril erhalten. Es ist ein rießiges Gebiet. Jede Familie hat 20 Hektar Land, von dem aber nicht alles bebaut ist. Die Häuser, eher einfach und klein, sind immer direkt bei den dazugehörigen Land. So gibt es keine größer Ansiedlung. Das nächste Haus ist meistens in Sichtweite. Es gibt aber etliche Gemeinschaftseinrichtungen um sich zu treffen, für Versammlungen und Fortbildungen und eben die Schule. An der wird das nächste von POEMA unterstützte Projekt stattfinden. Dabei soll es um praktische Bildung zum Thema Umwelt und Umweltschutz für Kinder gehen. Das sind hier leider keine Themen des regulären staatlichen Unterrichts. Die Kinder sollen selber Pflanzen zeihen und Anbauen und erhalten Anleitungen in verschiedenen Themengebieten des Natur- und Umweltschutzes. Valeria wird eine Projektbeschreibung mit den entsprechenden Kosten erstellen und wir werden das mit den Möglichkeiten von POEMA finanzieren. Vielleicht finden sich ja PArtnerschulen in Deutschland, die bei der Finanzierung mithelfen wollen. Wir besuchten dann noch eine Familie, die erst vor zwei Jahren hier im Assentamento quasi eine erneute Besetzung vorgenommen hat, weil die vorher hier wohnende Familie das Gelände schon vor längerer Zeit verlassen hatte. Sie haben die letzten Monate unter Plastikplanen gelebt und gleichzeitig ein neues Haus mit Lehmwänden gebaut, Felder bestellt und eine Hühnerzucht begonnen. Sie leisten wirklich harte Arbeit. Das Besondere, was aber durchaus typisch ist hier in Para und für das MST, das Paar mit zwei Kindern hat vorher in der Stadt unter prekären Umständen gelebt, sie haben nie in der Landwirtschaft gearbeite, aber wohl deren Eltern. Sie haben sich vieles selbst beigebracht, bei Filho an einem Kurs zu Agroflorestal teilgenommen und einiges enfach ausprobiert. Sie wollen in keinem Fall in die Stadt zurück, und sie machen eine glücklichen und zufriedenen Eindruck.
Was die Vorbereitungen der COP30 im November diesen Jahres hier in Belem betrifft, so gibt es viele Baustellen, die das etwas heruntergekommen Stadtbild auffrischen sollen. Die Geschäftsleute hoffen auf mehr Tourismus. Für die Mehrheit der Bevölkerung wird nicht viel rüberkommen. Die Menschen aus den sozialen Bewegungen, wie dem MST und die Indigenen, sehen in der COP30 nur eine große inhaltsleere Show. Sie bereiten deshalb eine Gegen-COP mit vielen Veranstaltungen vor, bei denen die wahren Probleme Amzoniens aufgezeigt werden sollen: Zerstörung des Regenwaldes, Rassismus gegenüber Indigenen und anderen Minderheiten, miserable Gesundheitsversorgung, Verletzung von Menschenrechten, die Bildungsmisere und vieles mehr. Wir hoffen, dass es ihnen geling die Hochglanzshow nachhaltig zu stören und die wahren Problem für die Weltöffentlichkeit sichtbar zu machen.
Belem, 30. Januar 2025
Heute morgen haben wir mit Blick über den Rio Tocantins ein gutes Frühstück mit Früchten, Tapioca und Spiegelei genossen. Danach waren wir noch bei Don Ivanildo, dem Bischof von Camtea. Er lobte unser Projekt zur Wiederaufforstung und die gute Zusammenarbeit. Im Gespräch schilderte er wie wichtig die Arbeit der Kirche hier für die Armen sei. Wenn jemand krank ist, so sein Beispiel, und im staatlichen Gesungheitsposten nicht die notwendigen Medikament erhält, hilft die Kirche. Er hatte noch mehrere ähnliche Beispiele und wir bezweifeln nicht, dass er viel Gutes tut. Ein kleiner Schatten viel auf seine zweifellos vorhandene Nächstenliebe. Er ist wohl begeisterter Motorradfahrer und besucht seine Gemeinden mit einer großen Harley Davidson.Dann kam noch Nilma mit ihrem Sohn. Sie ist Agrotechnikerin und betreut das Projekt von fachlicher Seite her überaus kompetent. Sie wußte auch um die von den Bauern in Pau d`Arco geäußerten Problemen wegen der Düngung. Es ist bereits eine Fortbildung vor Ort zum Thema Produktion von organischem Dünger geplant. Auch sie ist mit dem Stand des Projektes sehr zufrieden.
Sie meinte für brasilianische Verhältnisse sei es sehr schnell voran gekommen. Und sie fragte auch gleich, ob ein weiteres Wiederaufforstungsprojekt möglich sei. Sie hat weitere 6 Familien mit geeignetem Land, die hoffen, dass wir sie unterstützen können. Sie wird uns einen Projekt- und Kostenvorschlag zusenden.
Bei der Ankunft in Belem erlebten wir eine gute und eine schlechte Überraschung. Jane, die Verantwortliche des MST für Para wartete bereits auf uns im Hotel und wir konnten mit ihr klären, dass wir übers Wochenende voraussichtlich in die Ansiedlung "Vermelho Abril" fahren werden. Dort soll es ein Schulprojekt geben, welches POEMA unterstützen wird. Die schwierige Nachricht war dann, dass unsere Zimmer im Hotel Masilia nicht zur Verfügung standen, obwohl wir sie ausdrücklich gebucht hatten. Jetzt sind wir die nächsten beiden Nächte im teureren Mahados Placa in der direkten Nachbarschaft zu Dritt in einem sehr engen Zimmer. Wir hoffen auf eine ruhige Nacht, trotz alledem. Und um das auch noch unterzubringen. Wir verfolgen mit Erschrecken und Wut die Ausfälle unseres möglichen Kanzlers Merz. Wir hoffen, dass viele sich wehren und auf die Straße gehen. In Gedanken sind wir dabei.
Cameta, 29. Januar 2025
Gestern früh sind wir mit dem Bus in Richtung Cameta aufgebrochen. Die Fahrt dauert etwas mehr als vier Stunden bis man am Rio Tocantins ankommt. Dort steigt man auf ein Fährboot und überquert den Tocantins. Wir werden schon Jaime unserem Partner und Organisator von der Diozese Cameta erwartet. Wir brechen gleich auf in Richtung Pau d`Arco, das an der Straße nach Tucurui, dem Stausee, der den Strom für das große Aluminiumwerk in Bacarena liefert. Gleich nach dem Stadtrand wird die Asphaltstraße zur Staubpiste und jetzt in der Regenzeit wird der Staub zu Schlamm. Wir haben Glück, der nächtliche Regenguß ist soweit abgetrocknet, dass es sich halbwegs sicher fahren läßt. Nach einer Stunde biegen wir ab in einen schmalen weg und sind nach knapp einem Kilometer am Hof von Edegar im Dorf Pau d`Arco. Es sind noch einige weitere Dorfbewohner da. Die Brgrüßung ist herzlich, wir kennen alle noch von unserem letzten Besuch im April. Dann gibt es erstmal Almoco, Mittagessen, Reis, Bohnen und Hühnchen, dazu gekühlte, selbergemachte Fruchtsäfte. Es gibt einiges zu erzählen über den Stand des Projektes. POEMA finanziert hier für fünf Familien jeweils auf einem Hektar ungenutztem degradiertem Land Bewässerungssystem zur Wiederaufforstung.
Dazu werden auf dem Hektar jeweils 36 Bäume als zukünftige Schattenspender gepflanzt. Dazwischen werden Kakaopflanzen und Asai, eine Palme, deren Beeren hier quasi Bestandteil jeder Mahlzeit sind, in den Boden gebracht. Damit die Pflanzen in der Trockenzeit überleben braucht es die Bewässerung, die über Brunnen und ein Verteilersystem für jede Pflanze und jeden Baum sichergestellt wird. Auch wir brauchen Erfrischung und so fahren wir an einen Bach und nehmen mit Jaco, Jaime und Edegar ein erfrischendes Bad. Zurück an Edegars Hof wird uns seine kleine Fischzucht mit Tilapis gezeigt, wir bewundern sein Casa do Farinho, in dem der Manjok verarbeitet wird und sitzen dann im Schatten der Bäume und stellen uns noch Mal gegenseitig vor. Vor allem, dass Heinrich auch Bauer ist und mit Ziegen arbeitet findet großes Interessen. Hinter. ihm sitzt eine rießige Spinne auf einem Baumstumpf. Auf Nachfrage wird bestätig, dass sie giftig ist, aber das kümmert niemanden groß. Um sieben Uhr ist es dunkel und etwas später gab es dann noch ein Abendessen vom Grill mit Fleisch, Asai und Manjokmehl und Bier. Edegar hat uns sein Wohn-Schlafzimmer überlassen und wir verbringen trotz heftigen Regens eine ruhige Nacht.
Edegars Frau ist Lehrerin und unter der Woche in Cameta. So übernimmt er gemeinsam mit Jaime die Frühstücksvorbereitung. Dann werden mit einem Netz etlich Tilapi aus dem Teich geholt fürs Mittagessen. Danach begann die Tour durch die fünf verschiedenen Wiederaufforstungsgebiete. Bei allen sind die Brunnen gebohrt, teilweise bis zu 30 Meter tief, und bei den meisten sind auch schon die Verteilersysteme verlegt. Es war und ist noch immer viel Arbeit. Zuerst muss die Fläche von Unterholz und Gestrüpp ggereinigt werden. Bei Edegar sind die meisten Pflanzen schon in der Erde. Es fehlen noch einige Setzlinge für die Schattenbäume. Die Asai- und die Kakaosetzling wurden überwiegen selber in Pau d`Arco gezogen. Auch das war aufwendige Arbeit. Bei Jaco, dessen Hof wir als nächstes besuchen, sieht es ähnlich aus. Die Pflanzen sind im Boden, und das Bewässerungssystem ist vorbereitet. Zwei Familen, Dona Maria und ihre Tochter sind etwas im Verzug. Auch hier sind die Brunnen fertig und das Material für die Bewässerung ist da, aber nur teilweise verlegt.
Die Flächen sind noch nicht vollständig vorbereitet und die Setzlinge warten noch auf ihre Einpflanzung. Beide Familien sind aber zuversichtlich die anstehende Arbeit in den nächsten Wochen zu bewältigen. Zuletzt sind wir bei Frnzisco und seiner Frau Ogarina. Er zeigt uns stolz sein neues Backsteinhaus und direkt daneben seine Wiederaufforstung. Alles ist wohl geordnet und er ist sichtbar stolz auf seine Arbeit. Zum Mittagessen gibt es dann die Tilapi, die Edegar mittlerweile zubereitet hat, mit Reis, Bohnen, Asai, Farinha de Mandioka und noch einem Teller Fleisch. Es sind noch mal fast alle zusammengekommen und nach dem Essen gibt es eine Abschlußrunde. Unsere Gastgeber betonen noch einmal, wie sehr sie die Hilfe von POEMA schätzen und jeder bedankt sich und sie hoffen, das wir nächstes Jahr wiederkommen und sie uns die Fortschritt ihrer Arbeit präsentieren können. Morgen früh geht es für uns zurück nach Belem.
Belem, 27. Januar 2025
Seit Samstag nacht sind wir wieder in Belem im Mündungsdelta des Amazonas. Wir, das ist Brunhild, Heinrich von der Immenmühle in Niederstaufen und ich. Wir werden die nächsten Wochen hier unterwegs sein und die verschiedenen Projekte von Poema besuchen. Gestern waren wir bereits im Armazem do Campo, dem Treffpunkt der Landlosenbewegung MST (Movimento Sem Terra) hier in Belem, der erst durch die Spenden der POEMA-Unterstützer ermöglicht wurde. Hier finden Veranstaltungen, Gruppentreffen, Kurse zur Alphabetisierung und ähnliches statt. Außerdem gibt es von Donnerstag bis Sonntag einen Mittagstisch, den wir gestern dort auch genossen haben. Fabiola und Beonca, zwei Helferinnen sind glücklich, dass es diesen Treffpunkt gibt. Im Armazem werden auf Produkte aus den besetzten Gebieten, Obst und Gemüse, aber auch Reis, Zucker und Caçaca verkauft. Wir werden eine Ansiedlung der Landlosen voraussichtlich nächste Woche besuchen, dann gibt es weitere Informationen zu diesem Thema.
Morgen früh werden mit Buss und Schiff nach Cameta fahren und unser aktuelles Wiederaufforstungsprojekt im Dorf Pau d`Arco besuchen. Geplant ist, dass wir im Dorf auch übernachten. Auf dieser Reise werden wir außerdem die Kaapor in ihrem Reservat in Maranhao besuchen, an den Rio Xingu kommen und dort die BesetzerInnen der geplanten Goldmine Belo Sun treffen und weiter ins Reservat der Wajapi reisen.
Heute haben wir uns ein bischen in Belem umgesehen. Die Stadt ist weiter gewachsen, noch mehr Hochhäuser ohne dass die Armut zurück gegangen wäre, so unser Eindruck. Was auffällt sind die vielen Baustellen. Alles wird für die im Herbst hier stattfindende Klimakonferenz COP30 aufgehübscht. Alte Häuser werden abgerissen oder renoviert, die Touristenmeile um die Docas erhält einen neuen Anstrich und der Vero Peso direkt daneben wird komplett erneuert. Wenn die Konferenz dadurch einen besseren Klimaschutz erreicht solls recht sein. Wir haben aber große Zweifel.